Schwul worms wien

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Wien, März Inmitten eines vollbesetzten Saals ist er ganz allein. Zum Ping-Pong braucht es mindestens zwei. Egal wie hektisch er um die Platte rennt — und er rennt mit der Energie des Manikers — kann er gegen sich selbst nur verlieren. Schon das erste Bild dieses bildgewaltigen Abends weist auf sein Ende hin, die totale Einsamkeit.

Am Anfang steht ein Buch, Thomas Melles "Die Welt im Rücken". Wie schon sein Vorgänger Euro stand es auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, all jenen Kritikern zum Trotz, die schimpften, es sei kein Roman. Schön, wenn es einer wäre und nicht der Erfahrungsbericht einer unheilbaren Krankheit.

Thomas Melle ist bipolar. Er tat das in Form seines gefeierten Debüts Sickster sowie als Übersetzer und Autor zahlreicher Theaterstücke. Der Titel seines Stücks Aus euren Blicken bau ich mir ein Haus etwa kam dem geborenen Autor auf einem seiner manischen Streifzüge durch Berlin.

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Streifzüge wie sie auch der an einem Hirntumor erkrankte Wolfgang Herrndorf durchlitt. Während jener die eigenen Bilder zerstörte, verramschte Melle seine akribisch zusammengestellte Bibliothek. Auf diese "Welt im Rücken" nimmt der Titel des Buchs Bezug. Mit nikotinbeigem Pullover Kostüme: Kathrin Plath und braunem Lockenkopf sieht Meyerhoff Thomas Melle auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich.

Während er gegen sich selbst im Tischtennis verliert, erzählt er von seiner Erkrankung als elephant in the room: Alle sehen sie, jeder schweigt. Der Kapuzenpullover, den er sich später überzieht, hat übrigens die Farbe des Elefanten in der "Sendung mit der Maus". Sie finden das ein bisschen zu verquer gedacht?

Der Logik des Stücks folgend sieht der Zuschauer nun mal genau wie der Protagonist überall Zeichen: Leben als Schnitzeljagd. Und die theatralen Zeichen mehren sich. Die Psychiatrie ist ein Schwall asynchron hüpfender Ping-Pongbälle, ebenso die tägliche Ration Psychopharmaka.

Die Krankheit ein quer über die Bühne gespannter Ariadnefaden als Versuch, dem Labyrinth der eigenen Seele zu entkommen. Ein Maniker vor dem Herrn, der nur allzu gerne Blowjobs vom Popstar Madonna entgegen nimmt. Muss er deswegen auch auf die Bühne? Dem Programmheft zufolge ist er wie das Theater "ein Ort der Erinnerung und der Rekonstruktion".

In Wahrheit macht die Rolle seines Protagonisten als Statist im eigenen Leben "Die Welt im Rücken" zum idealen Theaterstoff. Aufgrund eines ausgeprägten Sendungsbewusstseins ist er sich immerzu seiner selbst bewusst, agiert stets für ein unsichtbares Publikum: "Als würde mich jemand beobachten, warf ich mit dramatischen Gesten um mich, die so etwas wie Überforderung darstellen, gleichzeitig noch einen gewissen Humor mitsenden sollten, eine Ironisierung der offensichtlich wahnwitzigen Situation.

Ja, deswegen quält er sich in den depressiven Phasen mit Reue und Scham. Abgesehen davon ist das Theater ein Auffangbecken für Neurosen jeder Art. Man denke nur an den Pollesch-Film "Stadt als Beute", dessen Darsteller auf ganz ähnliche Weise durch Berlin rasen Inga Busch im geklauten Pelzmantel, Stipe Erceg im Brunnen des Sony Centers wie der manische Thomas Melle.